Wir sitzen beim Frühstück im Bus mit offener Schiebetür und aufgeklapptem Dach, da hören wir ein brummendes Geräusch. Einer der Wohnmobileigner hat draußen seinen Stromgenerator aufgebaut! Der Mann kommt mit einer Müslischale und stellt diese in die Mikrowelle im Staukasten und drückt auf Start; das Aggregat erhöht den Geräuschpegel, nach ein paar Minuten wiederholt sich das ganze, dann wird alles wieder abgebaut und verstaut – so eine Aufwand für zwei Schalen Müsli!
Røros
Jetzt fahren wir Richtung Norwegen. An der Grenze gibt es eine kurze Kontrolle des Impfcodes und des Personalausweises – fertig. Bis Røros flutscht es und wir finden am Grubenmuseum einen Parkplatz. Dann ziehen wir los, jeder für sich. Frau fotografiert ein wenig und bummelt durch die Geschäfte, ich schaue mir das Umfeld der Grube an.
Nach zweieinhalb Stunden treffen wir uns wieder am Bus und unsere Reise geht weiter. Zwischen Tolga und Tynset pausieren wir an einem Fluss und brutzeln unsere letzten Bratwurstschnecken zum norwegischen Brötchen.
Auf meiner Onlinekarte hatte ich schon seit einiger Zeit eine Route in Norwegen markiert, die als Gravel road in Ost-West Richtung durch Rondane führt. Von Alvdal über die Reinslia Taubanestasjon nach Folldal.
Mautstraße
Auf geht’s! Für die Nutzung des „Bomveien“ ins Høstdalen sind 80,- NOK fällig, die vor der Schranke mit Kreditkarte bezahlt werden. Zu Beginn ist alles easy. Anscheinend bekommen die zahlreichen Hütten stärkere Stromleitungen und schnelles Internet, denn links und rechts der Weges stehen Baufahrzeuge und große Kabeltrommeln. Nach einigen Kilometern wird der Fahrbahnbelag etwas grober, denn wir befahren jetzt eine Gravel road.
Aber dann bemerkt die Frau, dass die Strecke auf ihrer Landkarte (bisher mit einer weißen Straße gekennzeichnet) jetzt nur noch mit dünnen roten Strichen markiert ist… „Kein Sorge, das passt schon“, beruhige ich sie.
Hmmhmm, der Weg wird tatsächlich sehr holprig und immer schmaler. Aber es gibt jetzt kein Zurück, deshalb Augen (fast) zu und durch. Wir schaukeln hin und her, gelegentlich knirscht, schabt und knarzt es an der Motorschutzplatte. An den kurzen, aber mit ca 25% recht steilen Anstiegen drehen die Räder durch. Nach einigen hundert Metern kommt plötzlich eine Hütte in Sicht und der Weg wird besser.
Reinslia Taubanestasjon
Wir stehen jetzt an den Resten der „Reinslia Taubanestasjon“ und kochen uns erst einmal einen Kaffee. Eine kurze Kontrolle des Unterboden bestätigt mir, dass die Montage der Motorschutzplatte eine gute Idee war. Drei Motorradfahrer mit Geländemotorrädern schauen etwas erstaunt unseren Bus an, einer von ihnen fährt langsam um uns herum, um den Bus von allen Seiten zu betrachten. Zum Glück sind die uns nicht auf dem letzten Abschnitt entgegen gekommen.
Die Weiterfahrt gestaltet sich nun einfacher und an einer Weggabelung nehmen wir den kürzeren Weg zurück in die Zivilisation. An der 1955 gebauten historischen „BP-Bensinstasjon“ in Grimsbu erreichen wir den Fv29 und haben wieder ordentlichen Asphalt unter den Rädern.
Grimsdalen
Nach kurzer Fahrt auf der 27 biegen wir in Richtung Grimsdalen ab. Hier wird die Maut per App und Kennzeichenerfassung bezahlt. Die nicht asphaltierte Straße lässt sich gut fahren. Am Naturcampingplatz Fjellcamping beenden wir die heutige Tour. Es setzt ein leichter Regen ein, die passende Zeit um den Abend mit einen Film (Harry Potter) auf dem iPad ausklingen zu lassen.
Nächtlicher Platzwechsel
Heute ist wohl das erste Mal, dass wir morgens im Bus nicht da aufstehen, wo wir am Abend eingeschlafen sind.
Zwischen Mitternacht und ein Uhr bin ich mit einem sehr unguten Gefühl in der Brust aufgewacht und konnte nicht mehr zur Ruhe kommen. Weil ich keine Besserung verspürte und wir hier kein Telefonempfang hatten, räumten wir schließlich die Vordersitze frei und fuhren vom Platz. Es ist eine stockfinstere Nacht ohne Sterne oder Mond oder sonstige Lichtquellen. Es regnet etwas, manchmal zieht Nebel auf oder vielleicht sind es Wolken, denn wir sind ja über 1000 m.
Für die knapp 40 Kilometer die wir zurücklegen, brauchen wir über eine Stunde. Am Bahnhof von Dovre haben unsere Telefone wieder Netzverbindung, was die Frau etwas beruhigt. Wir bleiben für den Rest der Nacht hier, es ist inzwischen schon nach drei Uhr.
Peer Gynt Vegen
Gegen 8 Uhr werden wir von den quietschenden Bremsen eines Zuges geweckt. Mir geht es wieder gut. Draußen ist es feucht, wir fahren erstmal Richtung Ringebu auf der [E6] und beratschlagen dann weiter. Fahren wir in die Berge gen Osten zur [3] oder doch lieber gen Westen auf dem Peer Gynt Vegen, der wegen des Wetters verschmäht wurde. Wir sind nur gut 3 h von Oslo entfernt, also schei… auf das Wetter, der Peer Gynt Vegen ist es. Da die neue E6 Maut kostet, fahren wir auf der parallel verlaufenden alten E6. Doch Pustekuchen, die kostet auch Maut! Bei Tretten biegen wir ab auf die [254] und von da nach Skei. Die Straße geht nahtlos über in den Peer Gynt Vegen. Fast nahtlos, von gut ausgebaut und geteert auf schmaler und festgefahrener Dreck. Also ohne Schotter der normale Untergrund für Naturwege. An einem Aussichtspunkt hoch oben halten wir für die Mittagspause – und vertrödeln den restlichen Tag im warmen Bus mit Film gucken, Schlaf nachholen und Lesen. Es regnet immer mal wieder, aber dafür sind hier keine Pieksviecher!
Heimreise
Die Sonne will nicht so recht, es gibt viele Wolken, aber es regnet nicht, zumindest nicht heute Morgen. Wir frühstücken mit offenem Dach und dem Blick über das Tal. Ohne Regen hat man eine herrliche Aussicht. Schnell noch ein paar Fotos , dann geht es pünktlich um 9 Uhr Richtung Oslo. Erst über die [254] nach Segalstad Bru, von da die [255] bis Lillehammer und dann auf die [E6] mit vollen 100 km/h gen Süden! Es flutscht und kostet bis Oslo ca. 200,- NOK Maut, dafür sind wir wie geplant um 12 Uhr am Colorlinekai. Das Einchecken dauert, die Formalitäten sind erstaunlich simpel, Buchungsnummer und Personalausweis, ab in die Warteschlange – und da warten wir noch eine Stunde.
Mit Blick auf den Oslofjord auf der Sonnenseite sitzend, schauen wir auf die vorbeiziehenden Schiffe und freuen uns über diesen durchaus gelungenen Urlaub, der so gar nicht geplant war: Für diesen Sommer 2021 stand Island auf der Agenda, doch die im Dezember 2019 gebuchte Fähre nach Helsinki musste wegen der Corona Pandemie mehrfach umgebucht werden.
Die ursprünglich geplante schnelle Durchreise entpuppte sich als gemächliche Reise nordwärts, denn Finnland hat hübsche Flecken zu bieten: Badeseen, Strände, lauschige abgelegene Naturplätze zum Übernachten.
Hier noch ein kurzes Zitat aus dem Skandinavien Reiseführer von 1996: „…die Landschaftsbilder sind von erhabenem Ernst; wo nur ein Hügel über die Waldspitzen emporragt, da öffnet sich eine ergreifende, unberührte Weite. Die stets wiederholte und doch abgewandelte Szenerie von Wald und Wasser läßt den Menschen ruhig und bescheiden werden vor dem Schweigen oder Brausen der Natur; man ist inmitten eines festlichen Glanzes, wenn die Sonne ihr Farbenspiel beginnt und weiße Wolkenballen über den Himmel ziehen…“
Nach fast 6500 Kilometern ist unsere Sommerreise 2021 beendet. Und die Piekser sind mittlerweile auch alle abgeheilt, entschwollen und verblasst.