Prolog

In den letzten Monaten hatten sich einige Überstunden auf meinem Zeitkonto gesammelt. Also war es wieder Zeit, mir einen kleinen Sonderurlaub zu gönnen. Schon lange schwirren mir Bilder von Norwegen im Winter durch den Kopf. Den VW California Beach habe ich vorausschauend dafür extra mit einer Luftstandheizung konfiguriert. Damit müsste ich auch im Winter im Bus schlafen können und außerdem sind die Winterreifen noch nahezu neu.

Tagelanges Studium von Wetter-Webcams, Reiseberichten und Landkarten bereiten eigentlich wenig Vorfreude, denn in vielen Regionen die ich in die engere Wahl ziehen wollte, fehlt der Schnee. Hmm, was jetzt? 3000 Kilometer über winterliche Straßen in den hohen Norden sind auch kein Zuckerschlecken. Aber da gibt es ja eine Alternative! Die Postschiffe der Hurtigruten sind für viele Norweger eine Institution und fahren täglich von Bergen nach Kirkenes. Und auf die meisten der Schiffe passt ein California drauf. Jetzt heißt es wieder Fahrpläne wälzen und bei den Onlineportalen der Fährgesellschaften jede Menge Probebuchungen durchführen. Am Ende habe ich eine ganz interessante Variante für meine Winterreise nach Norwegen gefunden.

Mein Plan sieht vor, im Februar 2016 von Kiel mit der Fähre nach Göteborg zu fahren. Dann geht es auf der Straße über Oslo nach Trondheim. Hier wartet hoffentlich die MS Finnmarken, um mich in 35 Stunden samt Bus auf die Lofoten zu bringen. Nach sechs Tagen auf den Lofoten geht es mit der MS Polarlys wieder zurück nach Trondheim. Danach mit dem Auto nach Oslo und von dort als letzte Schiffspassage über Nacht rüber nach Fredrikshavn. Zusammen also 12 Tage, mit fünf Übernachtungen auf vier unterschiedlichen Schiffen.

Zugegeben, bei der finalen Buchung kreiste mein Finger mindestens 10 Minuten über dem Button „Zahlung abschließen“, aber ich habe ihn schließlich gedrückt. Achja, ein Tipp für andere Interessierte: Bei einer Buchung über die norwegische Seite von Hurtigruten lassen sich bis zu 25% sparen .

Die Überschrift meiner Reisenotizen lautet also:
Vier Schiffe und ein Bus

Prolog 2

Das fängt ja gut an. Am Sonntag entdecke ich auf der Seite von Hurtigruten den folgenden Hinweis: MS Polarlys will be delayed from yard stay and must cancel the whole sailing Bergen-Kirkenes-Bergen 24.02-06.03.2016.

Na prima, bevor meine Reise begonnen hat, wird die Heimfahrt gecancelt. Montag morgen um 6 Uhr schicke ich zwei Mails an Hurtigruten in Tromsø und bitte um alternative Reisevorschläge für meine Rückreise. Naheliegend wäre das Schiff einen Tag später zu nehmen, aber auf das Autodeck der M/S Vesteralen passt der Bus mit seinem 199cm hohen Dach nicht drauf. Kurz vor 10 Uhr meldet sich Karin vom Hurtigruten Customer Care per Mail. Sie hat vier Alternativen für mich und bittet um eine schnelle Rückmeldung, da die Verfügbarkeit der noch freien Plätze sehr begrenzt ist. Eine halbe Stunde später habe ich die neue Buchungsbestätigung auf meinem Smartphone. Jetzt geht es einen Tag früher mit der M/S Finnmarken zurück nach Trondheim. Guter Service von Hurtigruten 🙂

Tag 1

Vor 16 Tagen habe ich die ersten Tickets gebucht und jetzt geht es wirklich los. Mein schwierigster Part, Mittags Feierabend machen, ist geschafft und so geht es gleich auf die Autobahn Richtung Norden. Der Tempomat ist eingestellt und vier Stunden später höre ich beim Tanken das Kreischen der Kieler Möwen. Mein Versuch noch eine Snack mit aufs Schiff zu nehmen muss ich Aufgeben, denn ich verfahre mich total und bin froh, wieder rechtzeitig am Schwedenkai zu sein. Das Einchecken geht bei Stena Line flott. Bis 30 Minuten vor Abfahrt kann man mit dem Auto einchecken, dass heißt es geht direkt aufs Autodeck. Die Kabine ist mit einem Doppelbett ausgestattet, von dem ich aber wahrscheinlich nur die rechte Seite benutzen darf 🙂

Auf die abendlichen Buffets auf Schiffen verzichte ich mittlerweile. Meist habe ich mehr gegessen, als ich ursprünglich vor hatte. Auch deshalb verbringe ich die Ausfahrt auf dem Außendeck und schaue mir Kiel bei Nacht an. Ok, die Küchenabluft wird Appetitanregend über das offene Deck herausgeblasen. Das ist sicher nur Zufall, aber mir knurrt jetzt der Magen. Trotzdem, bei mir gibts nur ein paar Kekse 🙂

In der Nacht wache ich alle 2 Stunden auf, denn das Schiff schaukelt und die Wellen klatschen deutlich hörbar an den Bug.

Tag 2

Pünktlich um 7 Uhr stehe ich mit einigen Anderen am Frühstücksbuffet, schließlich bekommt der frühe Vogel nicht den Wurm sondern einen schönen Fensterplatz. Beim Frühstück geht auf der rechten Seite die Sonne auf und links der Mond unter.

Schade dass ich noch nicht an Deck bin. Bei der Einfahrt in die Schären vor Göteborg gibt es mit der tief stehenden Sonne schöne Lichtspiele, die durch aufsteigenden Wasserdampf verstärkt werden.

Einreise Schweden

Das verlassen der Fähre geht bei Stena Line recht flott, allerdings fühle ich mich bei der Einreise nach Schweden gut 25 Jahre jünger. Damals waren Grenzkontrollen in Europa noch üblich. Jetzt in 2016 dauert meine Einreise nach Schweden ganze 20 Minuten. Als ich endlich an der Reihe bin, werden ich zum letzten von fünf Kontrolleuren durchgewunken. Der fragt freundlich nach meinen Personalausweis, um ihn anschließend über eine Minute lang anzusehen. Ich habe mich gefragt was er so lange prüft, zumal sein Blick nicht einmal zu mir gewechselt hat. Als er den Blick zu mir hob, bekam ich den Ausweis zurück mit guten Wünschen zur weiteren Reise.
Meine Fahrt nach Norden führt über die E 4 Richtung Oslo und verläuft ähnlich entspannt wie schon die Anreise nach Kiel. Tempomat eingestellt und erst vor der Svinesund Brücke wieder ausgeschaltet. Vor der Einreise nach Norwegen werden 20 NOK an Maut fällig. Dafür pappt ein Transponder an der Innenscheibe vom Bus, der sich bei jeder Durchfahrt der automatischen Mautstellen zu erkennen gibt. Abgebucht wird dann vom Kreditkartenkonto.

Einreise Norwegen

Nach der Maut kommt der Zoll, oder mein spezielles Einreise-Prozedere. In gefühlten 80% meiner Grenzübertritte werde ich rausgewunken. So auch diesmal. 10 Autos vor mir dürfen unkontrolliert die Grenze passieren,- ich muss den Personalausweis abgeben und raus aus der Schlange. Auch hinter mir dürfen alle weiter fahren. Bis zum Ende meiner Kontrolle wird auch kein anderer angehalten.

Ich stelle den Bus neben dem anderen Fahrzeug mit den arabischen Insassen ab. Diese halten Papiere in der Hand und schauen sich fragend um. Die freundliche Grenzbeamtin möchte den Grund meiner Reise wissen, wo ich hin will, wo ich übernachten werde und eine Telefonnummer meiner ersten Unterkunft. Außerdem will sie den Innenraum und Kofferraum sehen. OK, ich passe offenbar nicht ins Raster, denn ich schlafe in meinem Auto und komme nicht zum Fischen nach Norwegen, hinzu kommt meine falsche Aussprache von Tronjem. Übernachten im Auto, die freundliche Dame fand das ein bisschen verrückt. Als wir nach fast 10 Minuten unser „Gespräch“ beenden, darf ich nach Norwegen einreisen. Die Insassen des anderen Autos warten immer noch.

An der Touristenformation Halden, direkt neben der Autobahn, hole ich am Automaten noch etwas Bargeld und kaufe ein Souvenir. Auf der E6 geht es wieder Richtung Oslo. Im Internet hatte ich bereits gelesen, das die Osloer Tunnel in den nächsten Jahren saniert werden. An der Autobahn wird schon sehr früh auf eine mögliche Umleitung über die E18 hingewiesen. Die Verzögerung durch die einspurige Verkehrsführung hält sich zur Mittagszeit jedoch in Grenzen. Anders die Mautstellen, die werden jetzt zahlreich durchfahren. Gefühlt sind die Preise höher als im letzten Jahr, -mal 20 NOK, dann 32, danach wieder 20. So geht das auf der E6 noch eine Weile weiter.

Panzerkolonne

Für mich fällt die Rechnung nicht ganz so hoch aus, denn am Kolomoen Abzweig verlassen ich die E6 und fahre auf der Straße 3 weiter nach Elverum und dann Richtung Norden. Die Straße ist gut ausgebaut und ich entgehe möglicherweise dem Kolonnenverkehr über das Dovrefjell. Womit ich nicht gerechnet habe sind die Vorbereitungen für die NATO Übung Cold Response. Diese machen sich in Form von langsam fahrenden Militärkolonnen bemerkbar. Einige wenige Autofahrer wagen Überholversuche, die sie aber abbrechen und ihre Fahrt nun zwischen zwei Panzern fortsetzen. ZWISCHEN zwei Panzern?, – da fahr ich lieber hinterher. Nach 20 Kilometern verlässt der Militärkonvoi die Straße in Richtung Bahnverladung und der zivile Verkehr kann seine Fahrt wieder ungehindert fortsetzen.

Die erste Pause mache ich am späten Nachmittag im Østerdalen, aber auch nur, weil ein riesiger silbern glänzender Elch am Straßenrand steht. Dieser ist im Oktober 2015 mit einer Höhe von 10,3 Metern als Welt größter Elch aufgestellt worden, – hergestellt in China. Auf jeden Fall ist er ein toller Blickfang für den Rastplatz.
Die Straße gewinnt allmählich an Höhe und erreicht mit 733 ü.NN. den höchsten Punkt. Kaum ist die Sonne untergegangen, setzt Schneefall ein. Ich fahre deshalb den nächsten Parkplatz an und richte mich zum Übernachten ein. Eigentlich wollte ich erst auf der E6 übernachten aber der stärker werdende Schneefall hält mich davon ab. Die Standheizung läuft die Nacht auf Stufe 1 durch und heizt gut. So bemerke ich gar nicht dass sich der zuvor leere Parkplatz mit LKW füllt.

Tag 3

Zur Sicherheit habe ich mir den Wecker gestellt. Erfahrungsgemäß dauert es am ersten Morgen im Auto immer etwas länger, bis alles wieder seinen Platz findet. Zudem spielt überraschend mein Gaskocher nicht mit. Die Kartuschen aus dem Baumarkt lassen sich zwar einsetzen, aber das Gas strömt nicht aus, obwohl die Temperatur im Auto deutlich über Null Grad ist.
Den Parkplatz bedeckt jetzt eine 20 Zentimeter Schneedecke, außerdem steht er voll mit Lastwagen. Die haben freundlicherweise für mich eine Lücke gelassen, sodaß ich lange vor Sonnenaufgang wieder auf die Straße kann.

In Nordhessen hatten wir in diesem Jahr nur wenige Tage mit richtig Schnee, deshalb bin ich zunächst sehr erfreut, angesichts der weißen Landschaft. Allerdings ist das Fahren auf der geschlossenen Schneedecke recht anspruchsvoll, zumal sich stellenweise Eis unter dem Schnee befindet. Auf der Fahrt begegnen mir auch die ersten Schneepflüge, bis Trondheim sind die Straßen geräumt.
Hier treffe ich gegen 8:30 Uhr ein und stelle erleichtert fest, dass die M/S Finnmarken am Kai festgemacht hat. Jetzt noch schnell tanken. doch leider nimmt die Shell Tankstelle am Hafen meine Kreditkarte nicht. Also im Schneetreiben zurück in die Stadt. In der Kjøpmannsgata, das ist bei den Holzhäusern am Nidelva, soll eine sein.

Nachdem der Energievorrat aufgefüllt ist mache ich mich endlich auf zur Finnmarken. Nach ein paar Fotos vom Schiff mit Bus melde ich mich auf der Schiffsrezeption. Dort muss ich lediglich meinen Ausweis vorlegen, alles andere steht bereits im Buchungssystem. Ich bekomme zwei Bordkarten ausgehändigt, eine für mich, die zweite für den Bus. Meine Aussenkabine auf Deck 5 wird im Moment noch gereinigt, aber ab 12 Uhr kann ich sie nutzen, – vielleicht auch früher.
Vom Ladepersonal kommt über Funk die Info, dass die Fahrzeuge gegen 11 Uhr verladen werden, bis dahin kann ich in der Lobby platz nehmen und warten. Na ja, bis jetzt hat ja alles gut geklappt 🙂

Mit dem Bus auf das Postschiff

Als mit der Fahrzeugverladung begonnen werden soll, fahre ich gleich erwartungsvoll Richtung Laderampe, werde unterwegs jedoch von einer netten Mitarbeiterin gestoppt. Dazu muss man wissen, dass das Autodeck auf den Postschiffen nicht direkt befahren werden kann. Im Gegensatz zu Fährschiffen legen die Postschiffe seitwärts an einer Kaimauer an. Wegen den Gezeitenabhängigen unterschiedlichen Höhen der Kaimauern ist auch die Laderampe der Schiffe in der Höhe verstellbar. Unmittelbar hinter der Laderampe befindet sich ein Fahrstuhl bzw. Hebebühne. Ein Auto sowie sämtliche Fracht wird zunächst über die Laderampe auf die Hebebühne gefahren und dann nach unten in den Laderaum abgesenkt. Dort kann die Fracht von Gabelstaplern übernommen werden und die Autos in den Frachtraum einfahren.
Die junge Mitarbeiterin fragt zunächst nach meinem Zielhafen und danach bei allen weiteren Autos. Dann wird die Reihenfolge der Verladung festgelegt. Auto für Auto verschwindet über dem Fahrstuhl im Schiffsbauch. Das Einweisen meines Busses in den Fahrstuhl würde jedem Sicherheitsbeauftragten die Haare zu Berge stehen lassen. Denn der Einweiser postiert sich mangels seitlichem Platz direkt vor dem Fahrzeug und lässt mich soweit vorfahren, bis er selbst kaum noch Platz zum stehen hat. Wahrscheinlich ist noch niemand vom Kupplungspedal gerutscht.
Das einzige, was ich jetzt noch tun muss, ist die Ausfahrt aus dem Fahrstuhl mit einer engen 90° Kurve. So bleibt das Fahrzeug stehen, denn alle weiteren Rangiermanöver übernehmen die Mitarbeiter von Hurtigruten. Nach der Schlüsselübergabe wird der Bus von allen Seiten fotografiert um eventuelle Schäden zu dokumentieren um dann zwischen Fracht und anderen Fahrzeugen abgestellt zu werden. Damit in den Häfen immer die richtigen Fahrzeuge vorn bei dem Fahrstuhl stehen, werden im Verlauf der Reise die Fahrzeuge im Schiffsinneren immer wieder umgeparkt.
Vom „Bildekk“, dem Autodeck 2 mache ich mich auf zu meiner Kabine auf Deck 5. Sie entspricht der Beschreibung und hat wie versprochen, eingeschränkte Sicht 🙂 Ich kann also neben einem Rettungsboot ein kleines Stück vom Horizont sehen 😀 Etwas enttäuscht bin ich vom Sanitärbereich, denn vor der recht engen Dusche hängt ein Duschvorhang. Ich muss ständig daran denken, an welchen Körpern der schon alles geklebt hat.

Ablegen in Trondheim

Das Ablegemanöver in Trondheim geht so leise vor sich, dass ich es beinahe verpasse. Eine Wolkendecke hält alles im tiefen grau. Draußen auf dem Fjord bewegen sich mehrere Kriegsschiffe verschiedener Nationalitäten. Zusätzlich kreuzen kleine Autofähren unseren Weg.
Kaum hatte die Finnmarken Fahrt aufgenommen, fange ich an zu knipsen. Das Gefühl, jetzt irgendetwas zu verpassen ist so stark, dass alles mögliche im Bild festgehalten wird. Erst im Laufe der weiteren Fahrt legt sich dieser Drang, was dem Erholungswert meiner Reise wiederum sehr zuträglich ist.
Als wir den Trondheimfjord verlassen haben baut sich vor uns eine dunkle Wolkenfront auf, die sich kurze Zeit später in einem heftigen Schneesturm entlädt. Der Wind bläst so heftig, dass ich mich nur mit Mühe auf den Beinen halten kann. Deshalb ist es besser ins warme Schiff zurückzugehen.
Hier lädt der Panoramasalon zum Verweilen ein, – wenn man einen der weniger verschlissenen Sessel ergattern kann. Ich wollte es erst garnicht glauben, dass die Drehsessel so ausgeleiert sind und habe nach Einstellmöglichkeiten gesucht. Doch beim näheren hinsehen erkennt man schnell, dass die Finnmarken schon ein paar Jahre im Geschäft ist.

Trotzdem stellt sich bei mir auf dem Schiff ein Gefühl von Gemütlichkeit ein. Das liegt vielleicht auch daran, dass es im Schiffsinneren wohl temperiert ist, während draußen ein eisiger Wind weht.
Von Kapitän kommt zwischenzeitlich die Durchsage, dass wir wegen den schlechten Sichtverhältnissen den Stocksund nicht durchfahren und statt dessen auf die offene See ausweichen.

Zwei Postschiffe in Rørvik

Die Etappe von Trondheim bis Rørvik soll die längste auf der ganzen Tour sein. Abends gegen 21 Uhr erreichen wir den Hafen von Rørvik. Hier liegt bereits die M/S Nordnorge am Kai. Nachdem die Finnmarken festgemacht hat, besteht die Gelegenheit für einen kurzen Landgang. Viele der Reisenden nutzen die Zeit um das andere Schiff zu besichtigen. Ich schaue mir dagegen das Ladegeschäft an, welches im Schein der Hafenbeleuchtung seinen eigenen Charme hat. Beim Blick in den Laderaum kann ich meinen Bus nicht entdecken. Weil er erst morgen Abend raus muss, parkt der wahrscheinlich in den Tiefen des Frachtraums.
Nach dem Ablegen mache ich noch einen Rundgang auf dem Umlaufdeck, das bei der Finnmarken eine Länge von 285 Meter hat. Dann geht’s auf die Kabine zur Nachtruhe.

Gestörte Nachtruhe

Als wir gegen 1 Uhr in Brønnøysund anlegen, werde ich von den Geräuschen der Hydraulischen Ladeklappe geweckt. Nach einem kurzen Blick durchs Fenster, – ich kann immerhin den Kai sehen -, schlafe ich weiter. Allerdings nur eine gefühlte halbe Stunde. Dann erfolgt nämlich eine unüberhörbare Durchsage, dass draußen Nordlicht zu sehen sei.

Da sitze ich ziemlich verschlafen auf der Bettkante und bin hin und her gerissen. Soll ich aufstehen, mich Winterfest anziehen und dann Deck? Ok, drei Minuten später stehe ich dick angezogen mit der Kamera in der Hand auf dem Vorschiff und starre in den dunklen Nachthimmel. Der bleibt auch schwarz. Zur Kontrolle mache ich mit der Kamera bei hohen ISO Wert ein paar Kontrollaufnahmen. Die sind auf dem Kameramonitor auch schwarz. Also schnell wieder zurück ins warme Bett. Später auf dem Laptop kann ich in den Fotos doch einen leichten Grünstich erkennen. So hatte ich bereits das erste Nordlicht der Reise.
Einmal werde ich noch aus dem Schlaf gerissen als das Schiff im Sandnessjøen festmacht. Denn die hydraulische Höhenanpassung der Laderampe verursacht im Schiff, zumindest bei mir auf Deck 5, laute Geräusche.

Tag 4

Mein Frühstück nehme ich ab 7 Uhr ein und ich muss sagen dass es jedesmal ein Highlight der Reise war, wenn währenddessen draußen die Landschaft vorbei zieht. Am Frühstücksbuffet wird Müllvermeidung groß geschrieben, denn alle Brotaufstriche, Zucker und Kaffeemilch werden lose angeboten. Die Menge der einzelnen Auslagen ist recht klein, ist aber etwas aufgebraucht wird es vom ständig anwesenden Küchenpersonal sofort wieder aufgefüllt. Die Auswahl war umfangreich, ansprechend, aber teilweise sehr speziell und ich habe mein Rührei vermisst.
Jetzt schmeiße ich mich wieder in die dicken Klamotten und verbringe den Vormittag an Deck. Es gelingt mir Dank der „vorbeiziehenden“ Berge auch einen Sonnenaufgang im Bild festzuhalten. Bei dem traumhaften Wetter ist die Wirkung der nordischen Winterlandschaft noch intensiver. Vor uns taucht plötzlich ein anderes Postschiff auf. Es ist die südfahrende Trollfjord, die wir mit lauten Hupen begrüßen.

Kurzer Stopp in Ørnes

In Ørnes legen wir gegen 9 Uhr an und ich versuche den kurzen Aufenthalt für ein paar Fotos zu nutzen. Als ich auf dem Weg zu kleinen Autofähre bin, ertönt das Schiffshorn. Mist, das Signal zur Abfahrt! In zügigen großen Schritten eile ich dem Schiff entgegen. Außer mir ist nur noch ein Paar zu sehen, das ebenfalls sehr schnell geht. Beinahe zeitgleich gehen wir an Bord. Erst später erfahre ich, dass nach den ertönen des Schiffshorn noch 10 Minuten Zeit sind. Meine Eile war also unnötig.

Beim Rundgang auf den oberen Decks komme ich auch an einer Besonderheit bei den Postschiffen vorbei. Die Finnmarken hat als einziges Schiff neben zwei Whirlpools einen Swimmingpool an Deck. Trotz der eisigen Temperaturen ist der Whirlpool besonders bei den britischen Passagieren sehr beliebt.

Pause in Bodø

Während den ganzen Vormittag ein Wintermärchen an uns vorüberzieht, haben wir uns schließlich Bodø genähert. Hier legt die Finnmarken für 3 Stunden an und gibt den Passagieren damit Zeit für Landausflüge. Es gibt geführte Spaziergänge durch die Winterlandschaft, Ausflüge zum Saltstraumen der Seeadlern. Für mich ist dies Gelegenheit dem Endbahnhof der Nordlandbahn einen Besuch abzustatten. Die abgestellten Schlafwagen vermitteln einen kleinen Eindruck, wie es hoch oben auf dem Saltfjell aussehen muss.
Hier fällt mir auch zum ersten Mal die dicke Eisschicht auf, die überall drüber gezogen ist. Egal ob Wiese, Gehweg oder Straße, überall ist es spiegelglatt. Die Reifen der meisten Fahrzeuge sind mit Spikes ausgerüstet, die sorgen auch auf Eis für den nötigen Grip. Aber wo das Eis schon weg ist fräsen die Spikes tiefe Spurrillen in den Fahrbahnbelag.

In einer Einkaufspassage hole ich mir einen Snack zum Kaffee und Blaubeermarmelade für Zuhause. Im Wlan Hotspot vor Pepes Pizza aktualisiere ich noch schnell die Wetterapp und Nordlichtvorhersage. Es soll heute Abend stark schneien, – mit starkem Nordlicht.

Zurück am Hafen überlege ich mir, noch ein wenig in der Sonne zu sitzen und ein Croissant zu knabbern. Dazu einen Kaffee aus der Thermosflasche, – Lecker. Wäre ich mal lieber gleich aufs Schiff gegangen ! Kurz bevor ich die Gangway erreiche kommen mehrere Busse an, die mindestens 200 überwiegend britische Reisende entladen. Von da an gibt es kein Durchkommen auf dem Schiff. Weil die Kabinen noch nicht fertig sind, wird das Restaurant geöffnet. vermutlich sind sie Leidtragende der diversen Schiffsausfälle und wurden jetzt auf die Finnmarken umgebucht. Das Personal an der Rezeption leistet gute Arbeit und schafft es bis zum späten Nachmittag alle Reisenden in Kabinen unterzubringen. Trotzdem wird es für mich unheimlich schwer einen freien Platz zum Sitzen zu finden.

Vom Heck des Schiffes schaue ich mir deshalb lieber den Sonnenuntergang an. Die Fahrt über den Vestfjord verläuft unspektakulär. Solange es das Tageslicht noch zulässt halte ich (erfolglos) Ausschau nach Walen, danach finden ich als einzigen freien Platz einen Sessel direkt am Restauranteingang.

Erster Stopp Lofoten

Der erste Hafen, den die M/S Finnmarken auf den Lofoten anläuft ist der von Stamsund. Kleine rote und grüne Positionslichter weisen dem Steuermann den Weg zum Hafen, der vor einem großen Berg liegt. Über den dunklen Felswänden steht ein orange leuchtender Lichtschein, der mich irgendwie an den Schicksalsberg bei Herr der Ringe erinnert. Kurz nachdem die Finnmarken die Hafeneinfahrt durchfahren hat, werden die Schiffs-Scheinwerfer eingeschaltet. Jetzt ist die Felswand und das Hafenbecken hell erleuchtet und das Schiff kann zum Anlegen wenden.
Der Anleger von Stamsund bietet nur wenig Platz, aber umso interessanter ist das Ladegeschäft, denn es werden wieder viele Paletten mit Fracht ausgetauscht. Vor den Lagerhäusern warten mehrere Autos auf die Verladung ins Schiff. Der langwierige Beladungsvorgang ruft bei einigen Passagieren Unmut hervor, denn bei einer Verspätung müssen Sie länger auf ihren Trollfjord-Punsch warten.

Die Abfahrt verzögert sich nun doch um 20 Minuten und für mich steht jetzt die letzte Etappe nach Svolvaer an. Als wir Stamsund in nördlicher Richtung verlassen erkenne ich auch den Grund für das leuchten des „Schicksalsberg“: Die beleuchtete Skipiste des Lofoten Alpinsenter sorgt für den weithin sichtbaren Lichtkegel.
Irgendwo hinter Henningsvaer begegnen wir dem südfahrendem Postschiff. Mit den mittlerweile bekannten Signalen aus dem Schiffshorn begrüßen sich die Schiffe. Zusätzlich leuchten sich die Schiffen gegenseitig mit den kräftigen Suchscheinwerfern an. Bei absoluter Dunkelheit auf See ein tolles Schauspiel.

Ankunft Svolvaer

Allmählich wird es für mich Zeit das Auschecken vorzubereiten. Meine Kabine musste ich bereits um 12 Uhr bei der Ankunft in Bodø räumen. Das Gepäck konnte ich in der Zwischenzeit im Gepäckraum direkt neben der Rezeption unterbringen. Die Einfahrt nach Svolvaer lasse ich mir allerdings nicht entgehen. Die Trockengestelle an der Hafeneinfahrt sind mit Fisch gefüllt, – So etwas wollte ich ja hier auf den Lofoten unbedingt sehen. Laut Wetter App sollte in Svolvaer ab 21 Uhr Schneefall einsetzen und genau so ist es. Kaum haben wir angelegt fängt es an zu schneien.
Mit dem Auffinden des Fahrzeugdecks tue ich mich etwas schwer, sodass ich einen zweiten Anlauf von der Rezeption aus starten muss. :rolleyes: Vor der schweren Stahltüre warten bereits mehrere Personen auf Einlass ins Autodeck. Als sich die Tür öffnet, sehe ich sofort meinen Bus. Er steht genau gegenüber der Laderampe und der Schlüssel liegt auf dem Scheibenwischer. Nachdem ich das Gepäck durch die Fahrertür gewuchtet habe, darf ich noch zwei Fotos machen um dann sofort in den Fahrstuhl zu fahren. Draußen auch noch schnell ein Foto, bevor der nächste Wagen raus will und dann runter vom Kai.

Neben der Magic Ice Ausstellung parke ich an der Hauswand und starte die Standheizung. Draußen tobt mittlerweile ein kleiner Schneesturm.

Nach der Ausfahrt der M/S Finnmarken mache ich mich auf, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Eigentlich stand ja Nordlicht auf meinem Plan, aber bei dem Schneetreiben kann ich das wohl vergessen. Während den Vorbereitungen hatte ich mir den Parkplatz an der Lofot Kathedrale ausgeguckt und ich bin froh als ich durch den Schnee die Kirche endlich sehe. Aber der Parkplatz ist mit meterhohen Schneebergen belegt und mittendrin ein Auto, – also weiter suchen. Die Fahrerei ist sehr anstrengend, denn zum einen ist es dunkel und im Schneetreiben beträgt die Sicht nur noch ein paar Meter. Wegen der hohen Schneewälle links und rechts der Fahrbahn kann ich nur auf der Fahrbahn anhalten um mich zu orientieren. Rechts ranfahren ist unmöglich, zum Glück sind nur sehr wenige Fahrzeuge unterwegs.

Übernachtungsplatz

Weil weitere Plätze ebenfalls nicht anzufahren sind, fahre ich schließlich weiter bis nach Henningsvaer. Unterwegs muss ich anhalten und die Frontscheibe frei kratzen, denn der Schnee gefriert sofort am Bus. So intensiv habe ich Schneefall noch nicht erlebt. In Henningsvaer stelle ich mich auf den großen Platz direkt am Hafen, der im Sommer für Wohnmobile vorgehalten wird. In der Fischfabrik gegenüber wird offenbar noch gearbeitet, aber ich richte mich jetzt für die Nacht ein. Während ich versuche einzuschlafen, wird der Bus von Böen hin und her geschüttelt, begleitet vom Prasseln der Schneegraupel. Die Heizung läuft auf Stufe 3 durch und sorgt im Bus für angenehme Temperaturen.

Tag 5

Verschiedene Motorengeräusche wecken mich am Morgen. Zum einen fahren die ersten Fischerboote raus aufs Meer, zum anderen werden in Henningsvaer die Straßen vom Schnee befreit. Als ich den ersten Schritt nach draußen mache, versinkt mein Fuß tief im Schnee. Weil draußen schon der erste Fotograf mit Stativ zu sehen ist, schnappe ich mir meines und stapfe durch den Schnee in Richtung Straße. Hier begegnet mir auch der zur Schneeräumung eingesetzte Radlader. Geschickt manövriert der Fahrer durch die teilweise engen Gassen und schiebt die Schneemassen zur Seite. Viel mehr ist am Samstagmorgen auf den Straßen nicht los, die Geschäfte öffnen auch erst zwischen 9 und 10 Uhr. Ich stapfe hoch motiviert durch den Ort und kann es nur schwer glauben, – ich bin tatsächlich im Winter auf den Lofoten. Meine Freude ist riesig.
Auf schmerzhafte Weise erfahre ich, was sich unter der dicken Schneedecke versteckt: EIS ! Zweimal rutsche ich samt Stativ und Kamera aus und falle lang in den Schnee. OK, die Eis-Bilder aus Bodø sind mir noch in Erinnerung, warum soll es auf den also Lofoten anders sein? Bei den weiteren Exkursionen ziehe ich die dickeren Winterstiefel an und schnalle bei Bedarf die Spikes drunter. So war es zwar weiterhin rutschig, aber Stürze blieben aus.
Direkt hinter der Fischfabrik warten bereits die Kühl-Lastzüge um den frisch gefangenen Fisch abzutransportieren. Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, warum die Trockengestelle noch ausnahmslos leer sind. Während ich ganz am Ende von Henningsvaer fotografiere, fängt es an zu schneien

Als ich wieder am Auto bin, versperrt ein frischer Schneewall den Zugang zur Straße. Den hat der Schneeräumer dahin geschoben. Klar, hier rechnet niemand mit einem Touri, der sein Auto wild abstellt. Zum Glück ist der Schnee noch nicht festgefroren und ich kann den Bus auf den geräumten Teil des Platzes abstellen. Vormerken: Beim nächsten mal eine klappbare Schneeschaufel mitnehmen.


Bei Tageslicht macht das fahren natürlich mehr Spaß als in der Nacht, allerdings kann ich wegen der Schneewälle links und rechts der Straße viele Punkte nicht anfahren. Das Wetter wechselt ständig und mit ihm die Lichtverhältnisse.
Bei der Brücke über den Gimsysund kann ich beobachten, wie die Lastwagen mit großem Schwung die Rampe zur Brücke erklimmen. Die Straßen sind unter dem Schnee vereist und glänzen an manchen Stellen verdächtig.
Zwischendurch wird die Sicht wieder so schlecht, dass ich die orangen Plastikstangen am Fahrbahnrand zur Orientierung schätzen lerne. Je weiter südlich ich komme umso besser wird aber das Wetter.

In Leknes hole ich im REMA noch ein paar Vorräte und stelle mich dann bei strahlendem Sonnenschein an die Straße um ein paar Fotos zu schießen. Als mich der Fahrer eines entgegenkommende Schneepflug sieht, senkt er extra die Räumschaufel und fährt etwas rechts in den Schnee. Lachend und winkend fährt er an mir vorbei.
Meine weitere Fahrt über die E10 wird immer wieder von Fotostopps unterbrochen. Faszinierend sind die ständig wechselnden Lichtverhältnisse. Einmal bedrohlich dunkel, kurz darauf ist alles Pastellfarben, dann wieder Sonnenstrahlen und Schneesturm.
Als Tagesziel habe ich mir den Strand von Flakstad ausgesucht. Die Toiletten dort sind zwar geschlossen, aber ich ja bin autark. Am Parkplatz ist genügend Platz zum Übernachten und die Aussicht über den Strand auch sehr schön. Irritierend sind die Massen an Fotografen die überall auf Motivsuche sind. Dies war mir schon im Herbst aufgefallen. Außerhalb der Sommersaison ziehen die Lofoten offenbar Fotografen aus aller Welt an. Ständig halten Mietwagen oder Gruppen von Fotografen werden in Kleinbussen herangefahren. Ich schaue mir das ganze vom Bus aus an und habe eigentlich noch keine Lust mich ebenfalls dort einzureihen. Am Nachmittag stapfe ich doch noch zum Strand und mache Fotos. Natürlich setzt jetzt wieder Schneefall ein, der die meisten Fotografen vom Strand vertreibt.
Den Abend verbringe ich im Bus und warte aufs Nordlicht. Gegen 22 Uhr höre ich draußen auf einmal laute Rufe und das Klappen von Autotüren, – das Signal für Nordlicht 🙂
Tatsächlich entpuppen sich die hellen Wolken als Nordlichtschleier. Gerade bei bewölktem Himmel lässt sich das Nordlicht schlecht erkennen. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Wolke, aber bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass Sterne durch die „Wolke“ zu erkennen sind. Dies ist bei echten Wolken nicht der Fall.

Nordlicht

Also rein in die dicken Klamotten, zwei paar Handschuhe an und raus ins Freie. Zunächst ein paar Testaufnahmen über den Horizont, denn im Gegensatz zum menschlichen Auge bilden die meisten Digitalkameras das Nordlicht deutlich sichtbar ab. In diesem Urlaub wollte ich versuchen, unsern neuen Bus zusammen mit Nordlicht zu fotografieren. Deshalb bin ich anscheinend auch der einzige Fotograf, der auf dem Parkplatz steht und nicht am Strand.
Unten am Strand ist inzwischen ein kleiner Menschenauflauf und immer wieder kommen weitere Autos oder Kleinbusse angefahren um weitere Fotografen an den Strand zu bringen. Wie mein Bild aussehen sollte, wusste ich schon vor meiner Reise und nach einer knappen Stunde fotografieren habe ich es auch endlich auf der Speicherkarte.
Das letze Foto mache ich gegen 1 Uhr in der Nacht, dann ziehen wieder einmal Wolken auf und verdecken das Nordlicht. Durchgefroren klettere ich in den geheizten Bus und sichere die Fotos auf Festplatte. Die erste Übersicht schaut gut aus und so schlafe ich zufrieden ein und träume vom Nordlicht.

Tag 6

Nach dem Frühstück laufe ich am Strand entlang und suche Fotomotive. Dabei muss ich ab und zu aufpassen nicht im nassen Sand zu versinken. An den Stellen, an denen sich Schnee und Eis mit dem Sand vermischt haben entsteht eine Art Sandpudding. Hier sinken die Füße 10 cm in den Sand ein. Natürlich sind auch heute weitere Fotografen am Strand, aber es ist ja genug Platz für alle da 🙂
Gegen Mittag fahre ich an Ramberg vorbei weiter nach Kvalvik. Zwischen den Bergen geht kaum Wind und die Sonne sorgt für schönes Licht. Das Ende der Straße wird von einem Schneewall bestimmt, dort stelle ich das Auto ab und gehe spazieren.
Ein paar Kilometer fahre zurück ich zu den Brücken bei Fredvang. An einem Abzweig stelle ich den Bus ab und gehe auf Motivsuche. Kurz darauf hält ein Japaner und fotografiert ebenfalls an dieser Stelle. Jetzt passiert das, was mir in Norwegen, und nur in Norwegen, schon so oft passiert ist. An diesem vermeidlich einsamen Abzweig möchte just in diesem Moment ein Einheimischer mit seinem Wagen durch. Murphys Gesetz.
Auf der E10 fahre ich, unterbrochen von mehreren Fotostopps, Richtung Reine. Die neuen Tunnel sorgen für Straßenverhältnisse, wie sie unterschiedlich nicht sein könnten. Ich bin gespannt wie der weitere Straßenausbau aussieht, denn auf Hamøya endet die gut ausgebaute E10 und mündet in eine einspurige Brücke.

Von Reine mache ich nur ein paar Fotos vom Parkplatz aus, denn hier komme ich ja zwangsläufig noch einmal vorbei. Also weiter nach Å. Hier treffe ich – mal wieder – bei starkem Schneefall ein. Als der nachgelassen hat, schaue ich zunächst die nahe gelegenen Trockengestelle an. Hier hängen aber nur die Fischköpfe zum trocknen. An dieser Stelle noch ein Tipp, – geht nicht unter die Gestelle, denn jeder noch so kleine Tropfen der einen von oben trifft, sorgt tagelang für einen intensiven Fischgeruch in der näheren Umgebung 🙂

Da mit dem Parkplatz auch die Straße endet, stapfe ich die paar Meter weiter bis ans Meer. Hier sind auch schon einige Fotografen aktiv. Einer von denen macht 360° Fotos, da steht man also immer irgendwie im Weg 😀

Das Licht wird schon weniger und zwischendurch entlädt sich immer wieder eine Schneewolke.
Im Schneetreiben erreiche ich den Parkplatz. Gerade als ich noch ein paar Sachen im Bus umräumen will, kommt ein junges Paar auf mich zu. Sie möchten zunächst wissen, ob der Bus Allradantrieb hat, was ich verneine. Dann rücken Sie mit ihrem Anliegen raus: Ihr BMW hat sich im hart gefrorenen Schnee festgefahren und sie hoffen, dass ich Sie herausziehen kann. Weil ich eigentlich keine Lust habe die Anhängerkupplung zu montieren, versuchen wir zunächst vergeblich den BMW durch schieben wieder in Gang zubringen. Also doch den Haken montieren. Immerhin kann ich jetzt mein Weihnachtsgeschenk testen: Ein Abschleppseil! Ich erinnere mich noch an die fragenden Gesichter, – was willst DU denn mit einem Abschleppseil, der Bus ist doch neu.
Die beiden haben beinahe 3000 km zurückgelegt und fahren sich am Ende der E10 auf dem Parkplatz fest. Achja, und sie wohnen übrigens nur 40 km von meinem Heimatort entfernt. :tongue2: Nach der Abschleppaktion suche ich mir einen Übernachtungsplatz. Als ich den Parkplatz an der Djupfjordbrücke erreiche ist es schon dunkel. Die Bewölkung hat zu genommen und immer wieder schneit es. Also nix mit Nordlicht.

Tag 7

Die Nacht auf dem Parkplatz war ruhig. Im Gegensatz zum Sommer verkehrt die Fähre von Bodø im Winter nur zwei mal am Tag. Folglich bleibt der 2-stündliche Stossverkehr aus 🙂 Die freie Sicht aufs Meer beschert mir einen schönen Sonnenaufgang. Während ich ganz langsam meinen Tag starte, ist ein Mitarbeiter von Staten Vegvesen schon bei der Arbeit, denn ein Hinweisschild auf den Aussichtspunkt muss offenbar erneuert werden.

Reine lädt mit schönem Licht zum Besuch ein. Den Bus lasse ich an der Straße stehen und mache mich zu Fuss in den Ort. An der ersten Möglichkeit verlasse ich die Hauptstraße und finde mich am Friedhof wieder, der unter einer dicken Schneedecke verborgen ist.
Ein intensiver Fischgeruch liegt in der Luft. Hier wird frischer Fisch zum trocknen auf Holzgestelle gehangen. Im Sommer konnte ich schon einmal die letzten Reste des Stockfisch an einer Fischfabrik sehen. Da der frische Fisch noch auf meiner fotografischen Wunschliste steht, nutze ich die Gelegenheit und fotografiere ausgiebig. Es blieb neben Svolvaer der einzige Ort, in dem um diese Zeit bereits Fisch zum Trocknen aufgegangen war. Die Produktionswege sind kurz. Aus der Fischfabrik werden ständig große Kunststoffbehälter mit Fischkörpern herangefahren. Draußen an den Holzgestellen arbeiten meist Männer aus den Baltikum und Polen, zumindest lässt sich dies aus den zahlreich vorhandenen Autokennzeichen deuten.
Jetzt wird es Zeit einen Übernachtungsplatz zu suchen.


Meine vierte Nacht auf den Lofoten möchte ich wieder am Parkplatz von Flakstad verbringen. So habe ich schon einen Teil der Rückfahrt nach Svolvaer gefahren und kann vielleicht noch an den Stränden von Utakleiv oder Unstad vorbeischauen. Natürlich schaffe ich es nicht, meine Fahrt ohne zahlreiche Fotostopps zu absolvieren. Hin und wider ist das ganz witzig, wenn ich irgendwo an der Straße einen Hügel hinauf stapfe. Denn es halten immer wieder Autos mit Fotografen an, die teilweise auch zurückfahren, um zu ergründen was es dort wohl zu fotografieren gibt. Dabei will ich vielleicht nur ein Stück Straße mit Linienbus knipsen 😀 Nicht unbedingt ein Standardmotiv.
Das Standardmotiv aller Fotografen auf den Lofoten ist der Strand von Flakstad. Teilweise wird die Kamera nur für ein einziges Motiv ausgerichtet und eingestellt. Dies kann bis zu einer Stunde dauern! Da komme ich mir mit meinen „Schnellschüssen“ manchmal deplatziert vor 🙁

Am Abend tritt gegen 22:30 Uhr wieder das Nordlicht in Erscheinung. Wie immer fängt es mit einem schwachen leuchten an und wird im Laufe der zeit immer Intensiver. Im Herbst 2013 konnte ich Nordlicht an einsamen Ecken beobachten. Dabei gingen auch einige Meteoriten nieder. Die Stimmung hatte etwas sehr Magisches und ich blickte ehrfürchtig in den Himmel. Klingt kitschig, war aber so. Heute wird die Himmelserscheinung vom Gegröhle zahlreicher Beobachter begleitet. Manche sitzen bei laufendem Motor im Auto und blenden mit zwangseingeschaltetem Tagfahrlicht die anwesenden Fotografen. Also nichts mit Magie des Nordlichts.
Das was am Himmel passiert steigert sich immer weiter und wird recht spektakulär. Die grünen Schleier sind am Himmel sehr deutlich zu sehen und hüllen manchmal die ganze Landschaft in ein leuchtendes grün. Einmal fallen grüne Streifen wie Wasserfälle nach unten, ein anders mal bildet sich im grünen Licht ein schwarzes Kreuz. Es ist fantastisch! Gegen Mitternacht wird das ganze zur 360° Show, denn am ganzen Himmel sind die grünen Lichter zu sehen. Irgendwann stelle ich mich zu den anderen Fotografen am Strand und bekomme, zusammen mit dem orangen Lichtschein von Leknes, auch noch eine Spiegelung am Strand hin. Das letzte Foto mache ich um 2 Uhr.
Die Nordlichtfotos sind manchmal schwer erarbeitet. Aufstehen vor Sonnenaufgang, den ganzen Tag mit schwerem Fotorucksack auf dem Rücken unterwegs und das letzte Foto Nachts um zwei Uhr. Danach kommt noch das sichern der Bilder. Viel länger als die geplanten fünf Tage würde ich das nur schwer aushalten. Ich fange an, mich auf die Rückfahrt mit dem Postschiff zu freuen. Das sind dann zwei entspannte Nächte auf dem Schiff.

Tag 8

Nach der zweiten Nacht mit phänomenalem Nordlicht und meinen vielen Schneefotos könnte ich eigentlich schon Nachhause fahren. Alles was ich für die Reise erhofft hatte ist eingetreten und die drei Tage auf den Lofoten mit den vielen Eindrücken beinahe rund um die Uhr kommen mir vor wie eine ganze Woche 😀

Auf dem Weg nach Svolvaer schaue ich mir noch die Gegend um Utakleiv an.
Danach erwarte ich in Stamsund die Ankunft des Postschiffes. Es ist die MS Nordnorge auf dem Weg noch Norden.
Heute soll für mich laut Wettervorhersage die letzte Chance auf Nordlicht sein. Deshalb suche ich bei Valberg ein geeignetes Motiv. Den Bus stelle ich an einem einsamen Schiffsanleger ab. Kurz darauf kommt ein Auto angefahren, wahrscheinlich um zu sehen, was ich hier mache.
Nachdem das Auto wieder weg gefahren ist, gehe ich den stockfinsteren Weg zurück. Als zwei kleine Wolken vor das grün schimmernde Nordlicht ziehen, sieht es so aus, als würden mich dunkle Augen anschauen, dazu das knarzen und gluckern vom Schiffsanleger – ziemlich gespenstig.
Schön wäre der Nordlichtbogen über der Kirche gewesen, aber das Gotteshaus ist so hell angestrahlt, dass ich kein geeignetes Foto hinbekomme. Vielleicht muss ich mal eine aufwändigere Bearbeitung versuchen, denn Nordlicht und Kirche konnte ich fotografieren, allerdings auf zwei verschiedenen Fotos
Mit nur geringen Erfolg suche ich entlang der Straße 815 noch Motive. Die letzten Aufnahmen mache ich dann am Gimsøysund, wo ich auch meine letzte Nacht auf den Lofoten verbringe.

Tag 9

Heute muss ich packen. Für die zwei Tage auf dem Postschiff brauche ich nicht nur mein Foto- und IT Equipment, sondern auch ein paar Klamotten und etwas zum Essen. Draußen regnet es jetzt ab und zu, was natürlich sofort für eine triste Stimmung sorgt.
Auf den Hauptstraßen ist das Eis komplett verschwunden. Dazu sind in der vorletzten Nacht kleine Kolonnen von Schneepflügen über die E10 gebraust und haben unter einer unglaublichen Geräuschkulisse das Eis von der Straße gekratzt. Jetzt kommt auch wieder der bisher in geringen Mengen gestreute Splitt ins Spiel. Der bildet zusammen mit dem Regenwasser einen grauen Schlamm auf der Fahrbahn, der in alle Ritzen der Fahrzeuge eindringt. (Auch fünf Wochen nach der Reise, mehreren Autowäschen und einer langen Regenfahrt von Italien nach Deutschland läuft der graue Dreck immer noch aus allen Ritzen vom Bus). Dafür sind alle Nebenstraßen spiegelglatt. Zufrieden stelle ich fest, dass ich bislang großes Glück mit dem Wetter hatte, denn jetzt ist alles grau in grau.
In Svolvaer fahre ich rüber zu den Trockengestellen. Diese hatte ich ja schon bei der Einfahrt mit dem Postschiff gesehen. Natürlich stehen auch hier bereits Kleinbusse mit Fotografengruppen. Wo sich im Sommer die Spatzen tummeln, hängen jetzt die Fischkörper. Der Trocknungsprozess ist schon fortgeschritten und man kann deutlich sehen, das sich die Schuppen von der Haut lösen.
Am Nachmittag stelle ich mich auf einen Parkplatz außerhalb von Svolvaer und räume den Bus auf. Danach gehts zur Tankstelle. Der Verbrauch auf die 380 gefahrenen Kilometer ist sehr hoch. Allerdings hat die Standheizung auch 20 Liter Diesel verbrannt.

Den Bus stelle ich schonmal auf dem Parkplatz am Hurtigrutenkai ab, dann tippele ich durch den Ort. Ohne Spikes unter den Schuhen geht zu Fuss gar nichts, der Regen am Tage hat überall große Eisflächen erzeugt. Jetzt am Abend schneit es wieder etwas. Im Hafen liegen viele Fischerboote, die im faden Licht schöne Fotomotive liefern.
Erst jetzt erkenne ich, dass der Stockfisch in den Trockengestellen eine Protestbotschaft enthält: NO OIL. Offenbar lehnen Teile der Bevölkerung die geplanten Ölbohrungen vor den Lofoten und Vesteralen ab.
Gerade als ich die von Scheinwerfern angestrahlten Trockengestelle fotografiere, fährt mir das Postschiff ins Bild.
Nachdem der Werftaufenthalt der MS Polarlys ungeplant verlängert werden musste, werde ich meine Heimreise wieder mit der MS Finnmarken antreten. Ich befürchte, dass die damals in Bodø zugestiegen englische Reisegruppe immer noch an Bord ist und ich vielleicht eine schlechtere Kabine beziehen muss. Aber nach dem Anlegen des Schiffes in Svolvaer gehen die Briten von Bord, es sind wohl doch mehr als 200 Leute gewesen. Meine Anmeldung geht sehr schnell über die Bühne, die Kabine Nr. 627 befindet weit genug von der Laderampe und mein Bus kann sofort ins Schiff.
Nach der Ausfahrt aus Svolvaer mache ich noch einen kurzen Rundgang an Deck. Beim Anblick des dampfenden Schwimmbades muss ich schmunzeln. In den Kabinen wird daran erinnert, aus Energiespargründen nicht unnötig das Licht anzulassen und das Laptop auszuschalten. Aber wahrscheinlich wird das Schwimmbad von der Abwärme der Schiffsmotoren geheizt.
Keine viertel Stunde nachdem wir in Svolvaer abgelegt haben, begegnen wir dem nordfahrenden Postschiff. Für mich sind das die letzten Fotos des Tages, denn jetzt werde ich erstmal ausgiebig duschen.

Tag 10

In der Nacht wache ich zwei mal durch den heftigen Seegang auf, vielleicht liegt es aber auch am unbequemen Bett. Jedenfalls stehe ich gegen 6:30 Uhr mit Kopfschmerzen auf. Eine halbe Stunde später widme ich mich ausgiebig dem Frühstücksbuffet.
Es gibt wieder kein Rührei, dafür sind mehrere Schüsseln mit grauem Haferbrei im Angebot (sieht aus wie Erbrochenes und angesichts des Seegangs der letzten Nacht nicht meine Wahl). Ich bin fast froh, dass das Wetter nicht so dolle ist und lasse mir eine ganze Stunde Zeit zum frühstücken. Danach beziehe ich einen Premiumplatz im Panoramasalon. Ich muss erst mehrmals Probesitzen, denn die Sessel sind sehr verschlissen und viele auch unbequem.
Hier oben im Panoramasalon spürt man deutlich, wie starker Seitenwind gegen das Schiff drückt. In den Fenstern der linken Seite ist nur ein schmaler Streifen Meer zu sehen, rechts ist kein Himmel zu sehen. Sechs entspannte Stunden Seefahrt verbringe ich hier oben mit Tee und etwas Obst, und sichte dabei schon einmal die ersten Bilder meiner Reise. Es wird zwar auf Schildern darauf hingewiesen, das die Sitzplätze am Fenster nicht reserviert werden dürfen, trotzdem legen die Reisenden vor dem Frühstück auf den meisten Sesseln ihre Jacken, Taschen oder einfach nur Prospekte ab.
Am Nachmittag verlassen wir Brønnøysund und können einen Blick auf den Berg Torghattan werfen. Seine Besonderheit ist ein Loch im Berg. Wir fahren also Richtung Berg und am Bug des Schiffes sammeln sich Fotografen und Interessierte. Der Berg kommt näher, noch nichts zu sehen. Wir fahren dran vorbei, nichts zu sehen. Enttäuschung macht sich breit. Aber der Kapitän hat Erbarmen und lässt das Schiff quasi einen Haken schlagen. So können wir den Berg von der Rückseite in Augenschein nehmen und tatsächlich das Loch in ihm erblicken.


Am Abend treffen wir in Rørvik wieder auf ein anderes Postschiff. Es ist die MS Lofoten, das älteste Schiff der aktiven Flotte. Am Ausgang auf Deck 4 warten schon viele Reisende daraufhin unser Schiff zu verlassen. Sie wollen alle die MS Lofoten besichtigen. Kaum hat sich die letzte Rampe der Gangways auf den Boden gesenkt, stürmen unsere Passagiere das andere Schiff. Umgekehrt scheint es keine Passagierbewegungen zu geben.
Um nicht zu einem Teil der Schiffsinvasion zu werden, schaue ich mir die alte Lady nur vom Kai aus an. Die Schiffswände zeigen viele Dellen und Schrammen, die wohl dem täglichen Anlegen ohne Bugstrahlruder geschuldet sind. Denn hier wird vor dem Anlegen noch der Anker ausgeworfen und das Schiff mit Leinen an den Kai gezogen. Im faden Licht der Hafenbeleuchtung erinnert mich die MS Lofoten mit ihren sichtbaren Schrammen und dem schwarzen Gummiabrieb auf den weißen Flächen irgendwie an einen alten Wal, dessen vernarbter Haut man die viele Jahre auf den Weltmeeren ansieht.
Beim Ausfahren wird das sonoren Blubbern des Schiffsdiesel von einem dumpfen metallischen Klackern begleitet. Was von einigen Passagieren als ungesundes Motorengeräusch interpretiert wird, ist allerdings das einholen der Ankerkette.

Tag 11

In der Nacht war der Seegang wieder deutlich zu spüren. Seit 6 Uhr liegen wir am Kai in Trondheim. Hinter uns hat die nordfahrende Midnatsol festgemacht. Bevor ich zum Frühstück gehe, schaue ich mal über die Reling, ob sich am Autodeck schon etwas tut. Was sehe ich? Der rote Bus fährt aus dem Fahrstuhl und parkt vor dem Schiff.
Nein, kein autonomes Fahrsystem sondern einer der Mitarbeiter vom Laderaum hat ihn dort abgestellt. Der Fahrzeugschlüssel gibt er anschließend bei der Rezeption ab. Toller Service, denn ich kann jetzt ohne Eile das Frühstücksbuffet genießen.
Anscheinend gab es heute schon ab 6 Uhr Frühstück, denn das Restaurant ist bereits gut belegt. Weil der Bus schon am Kai steht, kann ich mein Gepäck einzeln runter bringen.

Dann höre ich ein letztes Mal von der elektronischen Stimme das dumpfe “ Good by“ und verlasse über die Gangway das Schiff. Irgendwie fällt es mir schwer mich vom Schiff zu trennen, deshalb schleiche ich noch eine Weile am Kai entlang und mache Fotos von den beiden Postschiffen. Zum Abschluss suche ich mir auf dem gegenüberliegenden Speditionsgelände einen Platz und kann so das erste Foto vom ganzen Schiff machen.
Jetzt heißt es wieder Kilometer schrubben. Auf der E6 fahre ich zügig Richtung Süden, denn am Abend wartet das vierte und letzte Schiff in Oslo auf mich.
Am Abzweig zur Straße 3 überlege ich einen Moment vielleicht doch über das Dovrefjell zu fahren. Die Schneebedeckten Berge am Horizont schauen schon verlockend aus, aber für den Nachmittag ist im Süden Schneefall angesagt. Also biege ich doch ab auf die 3.

In Kvikne halte ich an der Holzkirche an. Offenbar wird gerade eine Beisetzung vorbereitet, denn eine norwegische Flagge wird auf Halbmast gesetzt und jemand klopft das Eis vom Weg zur Kirche ab. Weil ich mit meiner Kamera nicht zu aufdringlich erscheinen möchte, verlasse ich vorzeitig den Ort und setze meine Fahrt fort.
Mittlerweile hat es tatsächlich angefangen zu schneien. Am Rastplatz mit dem großen Elch lege ich eine Pause ein. Unterwegs begegnen mir jetzt wieder Schneepflüge und die Straßen werden rutschiger. Als ich auf die zur Autobahn ausgebaute E6 fahre, ist die rechte Fahrbahn von mindestens 10 cm Neuschnee bedeckt und es fahren alle in einer Kolonne. Leider werden die Fahrzeuge immer langsamer und wir schleichen mit 45 km/h über die Autobahn. Als wir die ersten Tunnel der Strecke durchfahren ändert sich die Fahrweise. Viele Autos scheren Links aus und überholen im Tunnel, um dann vor dem Tunnelende mit Vollbremsungen wieder in die rechtsfahrende Kolonne einzuscheren. So geht das jetzt bei jedem Tunnel.
Ich bin froh, nicht den längeren Weg über das Dovrefjell genommen zu haben, denn in Oslo schneit es jetzt so heftig, dass der Verkehr zum Erliegen kommt. Ich nutze die Zeit für einen letzten Tankstopp und schleiche dann in Schrittgeschwindigkeit bis zum Stena Line Terminal. Hier bin ich etwas überrascht, denn es ist noch kein Schiff zu sehen.
Meine letzte Fährüberfahrt von Oslo nach Frederikshavn hatte ich erst vor vier Tagen gebucht und musste dabei feststellen, dass die günstigen Außenkabinen plötzlich alle ausgebucht waren. Etwas zwiespältig habe ich dann eine Innenkabine als „preisgünstige Alternative im Unterdeck“ gewählt.
Die Stena Saga lässt sich schließlich doch noch blicken und legt um 19:20 Uhr an der Kaimauer an. Da ich als einer der ersten am Check-Inn war, kann ich mir jetzt aus der ersten Reihe das Entladen der Fähre anschauen. Es dauert nur eine halbe Stunde, dann kann ich an Bord fahren. Ungewöhnlich finde ich, dass der Bus mit Keilen vor den Rädern gesichert wird. Naja, die werden schon wissen warum.
Meine Kabine befindet sich unterhalb der Fahrzeugdecks und ist über eine lange steile Treppe zu erreichen. Die Ausstattung ist – , sagen wir mal -, rustikal. Die Eingangstüre ist stark verzogen, weshalb ich auch bei geschlossener Tür auf den Gang schauen kann. Starke Kalk- und Rostspuren in der Dusche können meinen Eindruck von der Kabine nicht verbessern. Naja, es ist ja die letzte Nacht, die bekomme ich schon rum.
Vielleicht sollte ich möglichst lange oben auf dem Schiff verbringen. Einen direkten Aufgang gibt es nicht, dass heißt ich muss die Treppenaufgänge auf dem Weg nach oben wechseln. Ganze neun Decks sind zu erklimmen, bevor es einen Weg nach draußen gibt. Während ich die verschiedenen Stockwerke zu Fuss hinter mir lasse, wird mir auch klar, warum die Außenkabinen nicht mehr verfügbar waren. Überall wimmelt es von Partygängern, die sich auf ihre Partynacht an Bord vorbereiten. Draußen ist es ruhiger, weil kälter 🙂 Beim Ablegen in Oslo kann ich noch einige wenige Fotos machen, dann verziehe ich mich in meine Kabine und versuche zu schlafen.

Tag 12

Die Ankunft in Hirtshals ist für 7:30 Uhr geplant, aber vorher gibt es das Frühstücksbuffet. Diese Nacht war übrigens die beste aller Schiffsübernachtungen der Reise. Die Kabine war ruhig, kein spürbarer Seegang und die Koje die bequemste von allen. Das stimmt mich, trotz des schlechten Zustands der Kabine, etwas versöhnlich. Auf dem Weg zum Frühstück begegnen mir die letzten Nachtschwärmer mit Bier oder Sekt in der Hand. Dafür ist es am Buffet erstaunlich leer. Wahrscheinlich schlafen die alle noch ihren Rausch aus
Obwohl der Hafen schon seit einer Stunde zu sehen ist, legen wir pünktlich um 7:30 Uhr in Frederikshavn an. Für mich geht es jetzt direkt auf die Piste und acht Stunden später bin ich wieder Zuhause.

Noch etwas Statistik:

6 Übernachtungen im Bus

5 Übernachtungen auf Schiffen

2860 Kilometer mit dem Bus

2140 Kilometer mit Schiffen

248 Liter Diesel, davon ca. 20 Liter für die Standheizung

265,00 Euro Kraftstoff

550,00 Euro Hurtigrute

179,00 Euro Kiel – Göteborg

186,00 Euro Oslo – Frederikshavn

21,50 Euro Straßenmaut Norwegen

5.000 Fotos